Interview Experte für traditionelle kanarische Handwerkskunst

Wissenswertes über kanarische Handwerkskunst und deren Probleme und Reibungspunkte mit dem Massentourismus aus Expertenmund.

Eduardo Grandio, geboren in der nordspanischen Provinz Galizien ist Geschäfsführer und technischer Direktor der FEDAC (Fundacion para la Etnografia y el Desarollo de la Artesania Canaria), welche die Förderung und die Erhaltung kanarischer Etnograpie und Handwerkskunst zum Ziel hat. Dieser von der kanarischer Regierung geförderte Verband ist aber auch für die Qualitätskontrolle kanarischer Handwerksarbeit zuständig. So vergiebt die FEDAC zum Beispiel den carne de artesano, welcher eine Art von Pass ist, den jeder Handwerker haben muss, will er sich offiziell als ein solcher bezeichnen.

Grandio zeigt sich im mehr als eineinhalb-stündigem Gespräch mit Las Palmas24.com Redakteur Thomas Borstner aber nicht nur von seiner beruflichen Seite, sondern spricht auch ganz offen über seine persönlichen Konflikte mit dem Massentourismus im Süden Gran Canarias und lobt aus eigener Erfahrung die Vielfalt an kulturellen Veranstaltungen, die verbesserte Infrastruktur und die sauberen Strände, die die Las Palmas zu bieten haben.

Interview

Las Palmas24.com: Was sind die primären Ziele der FEDAC, Organisation in der sie director tecnico also Geschäftsführer sind?

Grandio: Eines unseres wichtigsten Ziele ist es, den Kanariern vielleicht ein bisschen bei der Suche nach ihrer Identität behilflich zu sein, denn die Kanarier selbst wissen oft gar nicht was es wirklich ausmacht, ein Kanarier zu sein. Die Bewohner der Kanarischen Inseln sind eine Mischung aus Ureinwohnern, Spaniern die im Zuge der Kolonisation auf die Insel kamen, Urlaubern, die auf der Insel sesshaft wurden und Emmigranten vom afrikanischen Kontinent. Gran Canaria ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Insel zwischen den Kulturen und überrannt von Touristen aus der ganzen Welt. Wir glauben, dass wir durch unsere Forschungsarbeiten und ethnographischen Untersuchungen etwas dazu beitragen können, ein wenig Licht in die Vergangenheit und die Identitätsfrage der Kanarier zu werfen. Da die Identität einer Gesellschaft sich auch immer aus deren Vergangenheit zusammensetzt, ist die Bewahrung des Wissens und der Fähigkeiten der Vorfahren eine wichtige Aufgabe derer wir uns annehmen wollen. Wir sind uns aber darüber bewusst, dass die Identität genauso wie die Tradition und Geschichte eines Landes immer ein Konstrukt von Interpretationen, Gewichtungen und Überzeugungen ist. Hier wollen wir mit einer Portion Realismus und wissenschaftlicher Arbeit Licht in so manchen Mythus oder so manche Halbwahrheit bringen. Die Vergangenheit eines Landes oder einer Region ist wichtig, jedoch wollen wir von der FEDAC auch die Zeit nicht zurückdrehen, sondern wir wissen dass die Welt in der viele der kanarischen Handwerke sich entwickelten, heute so nicht mehr existiert. Wir wissen, dass die meisten kanarischen Handwerke aussterben werden müssen, doch wir wollen ihnen mit unseren Aktivitäten zumindest ein würdiges Begräbnis ermöglichen.

Las Palmas24.com: Wie sehen diese Aktivitäten der FEDAC aus?

Grandio: Unser Aktivitätsfeld ist breit - zu breit vielleicht (schlägt lachend und fast weinend zugleich die Hände über den Kopf). Eine wichtige Aufgabe ist zum Beispiel die Aufklärung des Touristen darüber, was ein gutes und qualitativ hochwertiges Handwerksprodukt ist und wofür es sich auszahlt auch mal mehr Geld auszugeben. In einer Initiative der Vergangenheit haben wir die Touristen zum Beispiel vor bestimmten Herstellern gewarnt, die ihre Produkte als etwas ausgeben was sie gar nicht sind und überzogene Preise verlangen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie diese "Möchtegern-Handwerker" über uns hergefallen sind. Klar sie waren verärgert, dass wir die Touristen über ihren "Betrug" informierten. Zentraler Punkt unserer Organisation ist es aber, die kanarischen Tradition zu fördern. Dazu gehören traditionelle Veranstaltungen genauso wie Handwerksberufe oder alte kanarische Kochrezepte. Im Fall der Handwerker unterstützen wir diese konkret durch von uns organisierte Märkte, auf denen sie ihre Produkte einem kaufkräftigem Publikum präsentieren können, Subventionen, PR-Aktionen, Ausbildungs- und Weiterbildungskurse und diverse Ausflüge in andere Länder, um das kanarische Handwerk in der grossen weiten Welt zu promoten. Wir organisieren günstige Flüge und übernehmen auch die Hälfte der Kosten dieser Reisen. Im Moment befindet sich gerade eine Abordnung von uns in Italien. Wir waren aber auch schon in Marokko, der Schweiz und in Ägypten.

Las Palmas24.com: Welchen würden Sie als einen der größten Erfolge der FEDAC bezeichnen?

Grandio: Ich kann dir da ein gutes Beispiel nennen. Sie kennen doch sicher das Pueblo Canario in Las Palmas. Dort finden wöchentlich so genannte "Folklore-Vorstellungen" mit Tanz und Musik für die Touristen statt. Die bunte Tracht, die die Tänzer und Musikanten dort tragen ist weltweit als die typisch-kanarische Tracht bekannt. Das ist aber schlicht und einfach nicht richtig, denn diese Tracht wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vom kanarischen Künstler Nestor de la Torre entworfen, da die echten kanarischen Trachten als nicht spektakulär und schön genug für die Kreuzfahrt-Touristen empfunden wurden. Der Künstler bezeichnete diese Tracht selbst als disfraz (= Verkleidung). Hier hat die FEDAC es in mühsamer Arbeit geschafft, diesen Mythus, diese Lüge zu zerschlagen. (schlägt lachend mit der Faust auf den Tisch). Du kannst dir gar nicht vorstellen was das für ein Kampf war mit den kanarischen Politikern. Aber schlussendlich haben wir gewonnen.

Las Palmas24.com: Zum Thema kanarisches Handwerk: Wie unterscheidet sich die kanarische Handwerkskunst von der anderer Länder und Regionen? Welches sind die absoluten Top-Produkte der kanarischen Handwerkszunft?

Grandio: Die Handwerkskunst und Handwerksberufe waren in Europa in der Vergangenheit doch quer durch alle Länder mehr oder weniger die Selben. Logisch, da sich fast alle Länder Europas mehr oder weniger auf der selben Entwicklungsstufe befanden und überall die gleichen Notwendigkeiten und Bedürfnisse der Menschen bestanden. Jeder Ort hat aber natürlich auch seine Besonderheiten und ganz speziellen handwerklich gefertigten Produkte, die es so nirgendwo anders auf der Welt gibt. Auf den kanarischen Inseln sind das zum Beispiel die Cuchillos Canarios (=kanarische Messer), aber auch die kanarische Keramik-Kunst, welche ihren Ursprung in den Techniken der Ureinwohner Gran Canarias hat. Die Technik der kanarischen Keramik-Kunst stammt sozusagen von den Ureinwohner, die Art der Gebrauchsgegenstände die mit dieser Technik produziert werden und wurden sind aber auf "spanische" Bedürfnisse abgestimmt. Die Besonderheit der kanarischen Keramik ist, dass sie ohne Töpferscheibe und nur mit Hilfe der Hände und einiger primitiver Werkzeuge wie Steinen und einfachen Messer hergestellt wird. Aber auch das Handwerk der Callados ist eines der interessantesten und originellsten Produkte des kanarischen Handwerks. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden diese "Stickarbeiten" nur für den häuslichen Gebrauch hergestellt, doch bald entwickelte sich dieser Zweig stark weiter und die kanarischen Callados wurden sogar bis nach London exportiert. Hergestellt wird dieses hochwertige und international anerkannte kanarische Produkt aus Leinen und Baumwollfäden.

Las Palmas24.com: Wie ist erklärbar, dass viele der Techniken der kanarischen Handwerke noch von den Ureinwohnern stammen?


Grandio: Ganz einfach. Als die Spanier nach Gran Canaria kamen und die Ureinwohner unterwarfen, haben sie diese dazu gezwungen mit ihrer alten Technik Gebrauchsgegenstände für sie anzufertigen. Die Ureinwohner arbeiteten sozusagen mir ihrer Technik für die Spanier. Diese einzigartige Technik der Canarios (Ureinwohner Gran Canarias) wurde später über Generationen weitergeben und ist teilweise auch heute noch in Anwendung. Was die wenigsten wissen: die ersten 100 Jahre der spanischen Besiedelung Gran Canarias kamen vorwiegend private Geschäftsmänner auf die Insel. In dieser Zeit wurden die Neuankömmlinge nie wirklich mit den Ureinwohnern fertig und hatten die Insel nie hundertprozentig unter Kontrolle. Nach diesen 100 Jahren begann sich aber dann die spanische Krone ernsthaft für Gran Canaria zu interessieren und schickte in der Folge spanische Heere auf die Insel. Daraufhin dauerte es nur ein weiteres Jahr und die Insel war völlig unter Kontrolle der Spanier und die Canarios besiegt. Erst im Auftrag des Königshauses kamen ganze Scharen von Handwerkern vom spanischen Festland nach Gran Canaria, welche ab diesem Zeitpunkt begannen die meisten, aber nicht alle, Handwerke zu prägen. Aufgrund dieser Tatsache sagt man in Spanien auch die Eroberung Gran Canarias dauerte exakt hundert und ein Jahr. (schmunzelt)


Las Palmas24.com: Welche Handwerke wurden am meisten von den Guanchen, den Ureinwohnern Gran Canarias, beeinflusst?

Grandio: (schmunzelt freundlich) Gut. Fangen wir mal von vorne an. Die Ureinwohner Gran Canarias heissen Canarios. Die Guanchen waren auf der Nachbarinsel Teneriffe beheimatet. Aber du brauchst dich nicht zu schämen - das wissen die Wenigsten. Hier sieht man wieder wie viel Aufklärungsbedarf und Arbeit notwendig ist um die von der kanarischen Tourismusindustrie verbreiteten Stereotypen und Halb-Wahrheiten auszurotten ... Aber zurück zu deiner Frage. Alle Handwerke, die Gebrauchsgegenstände für die Pastereos (= Ziegenhirten) herstellten, können fast ausnahmslos auf die Canarios zurückgeführt werden. Auch das Wissen über die Herstellung von Lederrucksäcken, Keramik und das Korbflechten stammt von den Ureinwohnern.

Las Palmas24.com: Was sind die Gründe dafür, dass viele der kanarischen Handwerkszweige vom Aussterben bedroht sind?

Grandio: Viele der kanarischen Handwerksberufe kommen aus einer Welt, einer Gesellschaft die so ganz einfach heute nicht mehr existiert. Die gesellschaftlichen, politischen, sozialen wie auch ökonomischen Veränderungen gingen in den letzten 80 Jahren so schnell von sich, dass eine Generation von Handwerkern binnen kürzester Zeit ihren Beruf verlor. Besser gesagt verloren bestimmte Handwerksberufe ganz einfach ihren Sinn. Die meisten Gebrauchsgegenstände wurden früher für die wichtigsten Berufszweige Landwirtschaft und Fischerei hergestellt. Das diese Berufe heute kaum mehr existieren oder niemanden mehr allein das Überleben seiner Familie finanzieren kann, verschwanden auch viele dieser einzigartigen von Hand gefertigten Produkte.

Las Palmas24.com: Gilt das für alle Handwerke oder geht es auch gewissen Sparten etwas besser?


Grandio: Erfreulicherweise konnten sich einige Handwerke den bereits erwähnten, drastischen Veränderungen anpassen und so überleben. So zum Beispiel die so genannte Handwerkskunst Cesteria de Cana (=Korbflechtkunst). Bereits die Ureinwohner Gran Canarias hatten gut entwickelte Techniken zur Herstellung dieser geflochtenen Körbe, jedoch entwickelt sich dieses Handwerk erst nach der Kolonisation der Kanaren unter Führung von aus dem Westen der Iberischen Halbinsel stammenden Völkern (Portugal, Extremadura, Galizien) in eine professionelle Richtung. Früher wurden diese geflochtenen Körbe zum Transport in der Landwirtschaft und in der Viehzucht verwendet. Heute werden diese Körber zwar kleiner und für einen anderen Zweck (z.B. als Papierkorb) hergestellt, aber so haben es die kanarischen Korbflechter wenigtes geschafft, ihr Gewerbe am Leben und rentabel zu halten. Ein negatives Beispiel ist die sogenannte Albarderia welche sich einst der Herstellung von Packsatteln und sonstigen für den Umgang mit Pferden, Eseln und auch Kamelen notwendigen Gebrauchsgegenständen widmete. Viele dieser Produkte waren sinnvoll, um die Schmerzen des Tieres bei der harten Transport- und Pflugarbeit möglichst zu mindern. Vor der Industrialisierung und der Erfindung des Automobils war der Beruf des Albardas angesehen und vor allem in den kanarischen Städten Ingenio, Telde und Teror häufig. Dieser Zweig der kanarischen Handwerkskunst ist aus ökonomischer Sicht ganz einfach dem Untergang geweiht und darüber hinaus sind auch die wenigsten Touristen auf ein Maulgeschirr eines Esels aus … es sei denn sie haben selbst einen zu Hause (lacht).

Las Palmas24.com: Wie versuchen sie das Wissen über diese aussterbenden Handwerksberufe zu konservieren und nachkommenden Generationen zu erhalten?


Grandio: Die Albarderia, von der wir gerade gesprochen haben, ist hier ein gutes Beispiel. Auf der gesamten Insel gibt es nur noch 2 alte Männer, die diesen Beruf wirklich aktiv ausüben. Klar, leben können sie davon bei weitem nicht mehr und sie arbeiten auch nicht regelmässig. Damit sie nicht aus der Übung kommen und wir das eine oder andere einzigartige Exemplar für unsere Sammlung bekommen, bezahlen wir sie fallweise für das Herstellen eines Produktes. Übrigens kann man die Sammlung dieser einzigartigen Handwerksarbeiten auf unserer Homepage finden! Um das Wissen über die Albarderia und auch andere aussterbende kanarische Handwerke zu bewahren, machen wir darüber hinaus Videos von der Produktion der Ware und Interviews mit den Handwerkern, welche auf Video aufgenommen werden. Natürlich spielt auch unsere bereits erwähnte Homepage in Bezug auf die Erhaltung und Verbreitung dieses Wissens eine sehr wichtige Rolle. Auf unserer Homepage können sie neben den bereits erwähnten Handwerksarbeiten des Albarderos auch Beispiele für Arbeiten aus den Handwerksberufen Cantero (= Steinmetz), Carpintero (= Zimmermann), Constructor de Instrumentos Musicales (= Musikinstrument-Bauer), Cuchillero (= Messerschmied), Herrero (= Schmied), Hojatalero (= Klemptner), Sombrero (= Hutmacher) und viele mehr finden.

Las Palmas24.com: Wie haben die Handwerker darauf reagiert, dass viele ihrer Fertigkeiten und Produkte plötzlich nicht mehr gefragt waren?

Grandio: Wie wir wissen macht Not erfinderisch und so haben viele Handwerker durchaus umsichtig und flexibel auf die neuen Anforderung der gewandelten Gesellschaft reagiert. Handwerker die früher als Zurrones tätig waren, sattelten darauf um sich zum Beispiel um die Sitzbezüge der Autos zu kümmern. Eine Arbeit die noch am ehesten ihrem Handwerk nahe kam. Die Zurrones waren nämlich Spezialisten in der Herstellung von Lederrucksäcken. Diese Rucksäcke wurden aus der Haut von jungen Ziegen hergestellt. Ein anderes Beispiel für die Anpassung oder Evolution eines Handwerks sind die Herreros (= Schmied). Ich kenne da zum Beispiel einen ehemaligen Schmied im Dörfchen San Nicolas de la Aldea, im äußersten Nordwesen Gran Canarias. Seine Kunden waren früher Menschen, die sich fortbewegen oder Dinge transportieren mussten. Dies wurde früher per Kamel, Esel oder Pferd erledigt und der Schmied fertigte die notwendigen Gebrauchsgegenstände wie Hufeisen an. Nun wurde aber plötzlich das Auto erfunden, welches diese traditionellen Fortbewegungsmittel verdrängte und so auch den den Beruf des Schmieds grossteils sinnlos machte. Es war nicht einmal so, dass dieser gewisse Schmied aus San Nicolas selbst auf die Idee kommen musste, auf Automechaniker umzusatteln, sondern er wurde ja fast dazu gezwungen. Hatte jemand ein Problem mit dem Auto, kam er zu ihm, denn er war derjenige der in dieser abgelegenen Gegend am ehesten die Werkzeuge hatte, um diverse Probleme mit dem modernen Fahrzeug zu regeln. Später als er merkte, dass das ganze ja rentabel ist, legte er sich immer mehr und neue Werkzeuge des Mechanikerberufes zu – bis er im Laufe der Jahre eine Auto Werkstatt eröffnete. Dazu kam später noch eine riesige Tankstelle und heute ist er ein gemachter Mann. Ein Geheimtipp für eure Leser: Kommt ihr mal nach San Nicolas solltet ihr euch an der grossen, roten Tankstelle mal genauer umschauen, denn dort befindet sich noch immer ein Amboss, welche Zeuge dieser kleinen Anekdote ist. Heute hat bereits der Sohn die Tankstelle übernommen, aber trotzdem bleibt der Amboss dort. Zeichen dafür, dass den Menschen ihre Tradition und Vergangenheit doch irgendwie wichtig sind.

Las Palmas24.com: Ihre Homepage www.fedac.org scheint wie sie selbst sagen eine wichtige Rolle in der Arbeit der FEDAC zu spielen. Welche Inhalte der Homepage könnten für unsere Leser noch von Interesse sein?

Grandio: Wir befinden uns im 21. Jahrhundert und das Internet ist eines der wichtigsten und und das interaktivste Kommunikationsmittel der Gegenwart - dessen sind wir uns auch in der FEDAC bewusst. Leider sind alle Texte unserer vom Inhalt her fast unendlichen Homepage bis jetzt nur in Spanisch online. Jedoch planen wir in Kürze eine gekürzte Version der Homepage mit speziell auf den Touristen abgestimmten Themen, online zu stellen. Da wir jedoch auch versuchen die Informationen möglichst lebendig zu präsentieren, kann man sich mit der Anleitung von Las Palmas24.com auch ohne Spanisch-Kenntnisse durch die Page klicken. Ich würde zum Beispiel die Sammlung unserer ethnographischen Objekte empfehlen. Dabei haben wir diese den jeweiligen Aktivitaeten (Transport, Handel, Fischerei ...), Berufssparten (Schuhmacher, Schmied, Zimmermann …), Regionen (Galdar, Telde, Santa Brigida …) und den Handwerkern selbst zugeordnet. Ganz interessant für ihre Leser kann auch die Liste traditioneller Feste in Las Palmas sein, die sich ebenfalls auf unserer Homepage befindet. Wer Lust hat, abseits der der für die Touristen erfundenen "Schein-Folklore" die wahren Feiern und Gebräuche der Kanarier und vor allem der Einwohner von Las Palmas, kennen zu lernen, der sollte einen Blick auf diese Liste werfen! Unter traditionelle Berufszweige in Gran Canaria kann man detaillierte Beschreibungen aller Handwerksberufe finden. Alles leider bis jetzt nur in spanischer Sprache, jedoch in den meisten Fällen mit Bildern garniert, welche ja bekanntlich oft mehr als 1000 Worte sagen. Des weiteren können ihre Leser Information und Bilder zu folgenden Themen finden: kanarische Trachten, traditionelle Sportarten und Spiele, traditionelle Gastronomie (Anm. d. Red.: leider ohne Fotos und nur auf Spanisch) und kanarische Gewürze und Heilkräuter (Anm. d. Red.: nur spanische Texte ohne Fotos).

Las Palmas24.com: Wir haben selbst ein bisschen auf ihrer Homepage gestöbert und sind auf das wirklich interessante Archiv historischer Fotos von Las Palmas gestossen. Wie kamen sie auf die diese Idee?

Grandio: Schuld an dem Ganzen ist eigentlich ein gewisser Herr Jose Perez Cruz, denn dieser war einst im Besitz einer riesigen privaten Sammlung historischer Fotos von Las Palmas und hatte eines Tages die glorreiche Idee diese zu verkaufen. Er hatte Angebote von Interessenten aus Teneriffe und Gran Canaria, wobei schlussendlich wohl das des Gemeinderats von Las Palmas in irgendeiner Form interessanter war und der Zuschlag an Gran Canaria ging. Nach dem Kauf wusste aber niemand so recht was mit der Sammlung anzufangen, bis sie schlussendlich uns, der FEDAC, übergeben wurde. Wenn wir vorher gewusst hätten, wieviel Arbeit mit dieser Sammlung verbunden ist, hätten wir das Angebot wohl abgelehnt. Seit Monaten und auch gerade jetzt sind 3 unserer Mitarbeiter dafür abgestellt das Archiv zu säubern, zu sortieren, einzuscannen und online zu stellen. Mit der Zeit kauften wir auch immer wieder Fotografien aus anderen Quellen hinzu, um die Sammlung zu vervollständigen. Vor wenigen Tagen erst bekamen wir wieder einige Schuhkartons voller Fotos von einer kürzlich verstorbenen und 40 Jahre lang als Chronistin auf der Insel tätigen Frau in unser Büro geschickt. Mit diesem Fotoarchiv haben wir uns glaube ich selbst ins Bein geschossen (schlägt die Arme über den Kopf und schwebt zwischen Lachen und Weinen) … Aber ernsthaft: Mehr als 2000 tägliche Besucher des Fotoarchives sprechen wohl eine deutliche Sprache und sind schlagkräftiges Argument dafür, dass in der Bevölkerung Interesse an der Vergangenheit von Las Palmas de Gran Canaria besteht.


Las Palmas24.com: Nachdem sie uns soviel Interessantes erzählt haben, dürfen sie auch ein bisschen Werbung für ihren FEDAC-Shop im Altstadtviertel Triana machen? Was kann man dort kaufen?

Grandio: In unserem Shop bekommen sie nur hochqualitative handgemachte Produkte. Kanarische Keramik, geflochtene Körbe, Messer, Lederprodukte, Schmuck, Instrumente und vieles mehr, gefertigt von über die ganze Insel verteilten Handwerken. Bei uns können sie zu einem fairen und angemessenem Preis einzigartige und hochqualitative Ware kaufen. Wir versuchen auch Sonderwünsche zu erfüllen. Hat ein Kunde zum Beispiel den Wunsch nach einem echt-kanarischen Packsattel rufen wir einen der zwei letzten lebenden Experten für dieses Handwerk an und er fertigt das Produkt an. Das kann dann natürlich seine Zeit dauern, denn diese Handwerker sind wie bereits erwähnt nicht mehr die jüngsten und können nur noch sehr langsam und unregelmässig arbeiten. In diesem Falle wäre es wohl am Besten bereits vom Heimatland aus bei uns telefonisch ein Produkt zu bestellen und dieses dann im Urlaub bequem abzuholen. Was ich aber hier unbedingt noch klar stellen will. Die FEDAC und auch ihr Shop ist kein wirtschaftlicher Betrieb und unser Ziel ist es nicht, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern die kanarische Handwerk und das kanarische Kulturerbe im Allgemeinen zu fördern. Unser Ziel ist es das sich die Handwerker selbst über Wasser halten können und wir wollen ihnen dabei helfen das ihr Geschäft möglichst rentabel bleibt.

Las Palmas24.com: Welche Handwerker dürfen in den FEDA-Shops ihre Produkte verkaufen und welche nicht? Gibt es irgendwelche Grundvorraussetzungen, um als offizieller kanarischer Handwerker akzeptiert zu werden?

Grandio: Wer bei uns verkaufen will, der braucht den carnet de artesania, den Handwerker-Pass. Wer den haben will, muss über detailliertes Wissen und technische Fertigkeiten eines gewissen Handwerks verfügen. Ihr habt keine Ahnung wer alles so einen Handwerker-Pass beantragt!!! (schlägt die Hände über den Kopf und blickt verzweifelt und amüsiert zugleich in Richtung Himmel beziehungsweise Bürodecke). Ich muss reihenweise Hausfrauen enttäuschen, die ohne irgendwelches Wissen über traditionelles, kanarisches Handwerk, zu Hause Stick- oder Strickarbeiten produzieren … Also ich muss mich erst wieder mal fangen (Verzweiflung vorspielend). Ok. Darüber hinaus verlangen wir von den Handwerkern, dass sie kommerziell arbeiten und das Ganze nicht nur als Hobby betreiben. Wer kanarisches Handwerk verkauft, der hält es auch am ehesten am Leben. Diese Grundvorraussetzungen erfüllen im Schnitt rund 50% den Antragsteller. Der Rest bastelt zwar oft auch schöne Sachen, nur hat das nach den Masstäben der FEDAC manchmal wenig mit traditionellem kanarischem Handwerk zu tun.

Las Palmas24.com: Gibt es in Las Palmas irgendwelche empfehlenswerten Märkte und Messen, auf denen kanarische Handwerksprodukte verkauft werden?

Grandio: Empfehlenswert ist auf alle Fälle der Markt, der jeden Sonntag vormittag hinter der Kathedrale Santa Ana am Plaza Nuevo Pilar stattfindet. Dieser Markt in historischem Ambiente und auf einem der ältesten Plätze der Stadt erfreut sich sowohl unter Einheimischen als auch Gästen steigender Beliebtheit. Eine besondere Okkasion ist der einmal jährlich im Parque San Telmo stattfindende Markt zu den "Heiligen drei Königen". An diesem Festtag, wird in Spanien ja bekanntlich mehr gekauft als am 24. Dezember selbst. Allein von diesem von 2. - 5. Jänner stattfindenden Markt können viele Handwerker monatelang leben. Die Leute befinden sich zu dieser Zeit im Kaufrausch und reissen dir die Ware förmlich aus den Händen.

Las Palmas24.com: Themenwechsel: Ein kurze Frage zum Thema internationaler Tourismus in Las Palmas. Warum glaubst du Strömen die Massen aus ganz Europa nach Maspalomas und die Playa Ingles? Was hat der Süden Gran Canarias was Las Palmas nicht hat?

Grandio:
Das einzige was der Süden mehr zu bieten hat als Las Palmas sind ein paar Sonnen-Tage mehr im Jahr, aber ansonsten ist es eher so das Las Palmas Dinge zu bieten hat, die es ganze einfach im Süden nicht gibt. Der Raum rund um die Playa Ingles und Maspalomas ist an sich kein natürliches Siedlungsgebiet und auch heute wohnt dort im eigentlichen Sinn des Wortes nur ein sehr geringer Teil der kanarischen Bevölkerung. Viele Kanarier arbeiten zwar in den Hotels und Restaurants der "All-Inklusiv-Burgen", wohnen aber in Vecindario, Telde oder Las Palmas. Es handelt sich im Süden um reine Touristen-Städte, dessen Einwohner alle 2 Wochen wechseln. Logische Konsequenz ist, dass vom anspruchsvollen kulturellen Angebot her im Süden Gran Canarias gar nicht so viel los sein kann wie in Las Palmas. Das kulturelle Leben in Las Palmas spiegelt das wahre Leben auf Gran Canaria, die Art und Weise wie die Kanarier im 21. Jahrhundert leben, feiern, tanzen aber auch trauern wirklich wieder.

Las Palmas24.com: Kommen sie mit ihrer Organisation in irgendwelcher Form mit dem All-Inklusive Tourismus des Südens in Kontakt?

Grandio:
Natürlich. Der Tourist ist einer unserer wichtigsten Kunden. Aber es ist halt auch nicht immer einfach. Der durchschnittliche Tourist will zum Beispiel meist kleine, transportable Produkte, da er ja das ganze Zeug auch irgendwie nach Hause schaffen muss (lacht). Durchaus verständlich. Also verkaufen sich folglich kleinere Handwerksprodukte besser als grosse. Da die Nachfrage das Angebot bestimmt, haben sich die kanarischen Handwerker darauf eingestellt und produzieren halt statt ein Meter hohen geflochtenen Körben, nur mehr 20 Zentimeter hohe. So entstehen künstliche Produkte, die an sich nicht mehr viel mit den wirklichen, traditionellen und für den Gebrauch erfundenen Gegenständen zu tun hat. Ein weiteres Phänomen der Touristen ist ihr Hang zum Rustikalen ("gusto por lo rustico"). Viele Touristen halten qualitativ minderwertige Ware für die autentischte und ursprünglichste. Ein schiefer und schlecht schlampig gemachter Tonkrug sieht halt für den Laien irgendwie älter und antiker als ein perfekt gefertigter. Die Wahrheit aber ist, dass die kanarische Handwerkskunst zu so qualitativer Arbeit fähig ist, dass es fast schon unglaubwürdig gut für Handarbeit ist …

Was machen die Handwerker folglich um zu überleben? Sie produzieren qualitativ minderwertige Ware, um zu verkaufen und überleben zu können. Auch verständlich und es ist schwierig diesem Phänomenen entgegenzuwirken. Dazu kommt noch, dass viele der Touristen, die in All-Inklusive Hotels urlauben, die Mentalität haben, dass sie so wenig Geld wie möglich ausserhalb ihres Clubs ausgeben wollen. Am Besten wären 4 Geschenke für die Daheimgebliebenen um 10 Euro und das ist halt nicht mit den Preisen guter Handwerksarbeit vereinbar. Ein weiteres Phänomen des Massentourismus im Süden Gran Canarias, mit welchem ich und die FEDAC regelmässig in Kontakt kommen ist der "Renditen-Tourismus". Regelmässig bekomme ich Anrufe von diversen Reiseveranstaltern aus dem Süden: "Hast du Interesse an 3 Bussen mit 120 Holländern am Freitag, den 7. April?". Wenn ich ja sage, habe tatsächlich an diesem Tag plötzlich eine ganze "Heerde" kauffreudiger Holländer in unserem FEDAC-Shop. Jedoch muss ich dafür an den Reiseveranstalter 20-30% Rendite abdrücken. Etwas das wir prinzipiell nicht machen. Alleine aufgrund dieser Geschäftspraktikanten kann sich wohl jeder Tourist selbst ausmahlen, auf was die Tourismus-Industrie im Süden aus ist. Ich habe jetzt irgendwie eine riesige, dicke Melkkuh vor Augen, warum weiss ich selbst nicht … (lacht laut auf).

Las Palmas24.com: Kommt also nach Gran Canaria nur dieser All-Inklusive-Tourist oder haben sie in ihrer Arbeit auch individuell Reisende kennen gelernt?

Grandio:
Gott sei Dank gibt es auch viele Ausnahmen. Besonders in Las Palmas ist ein Anstieg des Individualtouristen bemerkbar. Menschen, die ihren Urlaub selbst planen und die Kultur wirklich kennen lernen wollen. Dies ist auch sozusagen unser Zielpublikum. Da haben wir ja schon was mit www.laspalmas24.com gemeinsam, oder? (zwinkert schmunzelnd über seinen Bürotisch). Ja und da gibt es noch gut verdienende Menschen, die ihren Zweiturlaub in Gran Canaria verbringen. Diese Touristen kommen spontan, oft auch im Zuge einer Geschäftsreise, auf die Insel. Diese Leute haben Geld, Bildung und Intellekt und sind sozusagen prädestiniert für den Erwerb von handgefertigten Produkten. Dann gibt es noch jene Touristen, die oft über den Winter oder manchmal sogar das ganze Jahr über auf der Insel weilen. Sie haben zwar kein eigenes Haus hier, wohnen aber oft bereits seit Jahrzehnten immer im gleichen Apartment eines Hotels. Ein deutscher Freund von mir, mit dem ich oft tauchen gehe, wohnt zum Beispiel seit Jahrzehten im Hotel Igramar direkt am Canteras-Strand in Las Palmas.

Las Palmas24.com: Wenn Las Palmas doch so viel zu bieten hat, warum hat die Stadt trotzdem ihren internationalen touristischen Stellenwert, den sie zweifelsfrei einmal hatte, doch teilweise verloren?

Grandio:
Die Fehler sind meiner Meinung nach in der Vergangenheit begangen worden. Vor rund 25 Jahren war der Tourismus in Las Palmas und vor allem an der "Playa de las Canteras" noch stark. Doch danach wurden möglichst schnell und billig so viele Hotels wie nur möglich aus dem Boden gestampft und auch beim Rest der neu erbauten Architektur wurde weniger auf Qualität geschaut. In den nächsten Jahren verfielen diese neu erbauten Gebäude schnell und somit verwahrloste die Gegend rund um den Canteras Strand in den nächsten Jahren immer mehr. Klar das verfallene Häuser und eine erbärmliche Infrastruktur den Touristen in Richtung Süden verscheucht haben. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was vor 30 Jahren zum Beispiel im Parque Santa Catalina abging. Damals war dieser Platz noch DAS touristische Zentrum der Insel. Die meisten Touristen kamen noch per Boot auf der Insel an und gingen nur wenige Meter vom Canteras Strand im Puerto de la Luz von Bord. Der Parque Santa Catalina war voller Bars, Restaurants, Strassenkünstler, Musiker, Bars, Diskotheken, Souvenir-Geschäften und Cafes. Es pulsierte ganz einfach das Leben dort. Heute haben die Politiker aus den Fehlern von gestern gelernt, aber so eine Negativ-Entwicklung lasst sich natürlich nicht von heute auf morgen umkehren.

Las Palmas24.com: Wie versucht sich Las Palmas ihrer Meinung nach in der Gegenwart wieder als Tourismus-Destination zu etablieren?

Grandio:
Nun sie machen es eh ganz gut. Zum Beispiel die Zone um den Strand "El Confital" wurde gesäubert und es wurden hunderte Tonnen von Schutt, Müll und Glasscherben entfernt. Vor ein paar Jahren befanden sich dort noch echte Slums und man musste Angst haben dort rein zu gehen. Heute geh ich dort selbst oft Tauchen und es ist wirklich schön dort. Gerade gestern habe ich 2 riesige Schildkröten dort gesehen! (strahlt über beide Ohren). Die Zone um den Confital erinnert an Landschaften wie man sie auf Lanzarote und Fuerteventura findet und das nur 1 Kilometer ausserhalb der Stadt. Auch die Infrastruktur am Canteras Strand hat sich verbessert (Duschen, Toiletten, Rettungsschwimmer) und mit den vielen Festivals versucht die Stadtverwaltung zusätzlich Einheimischen wie auch Gästen was zu bieten.

Das Interview führte und übersetze Las Palmas24.com-Mitarbeiter Thomas Borstner.